Aktuelle Forschung zu praktischer Sturzkompetenz
Die Fähigkeit, sicher zu fallen und Stürze abzufangen, kann das Verletzungsrisiko erheblich senken – besonders bei älteren Menschen. Aktuelle Studien aus der Forschung belegen, dass gezielte Trainingsmethoden und Schutzstrategien nicht nur die Sicherheit, sondern auch das Vertrauen in die eigene Mobilität fördern können. Im Folgenden sind einige der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die die Bedeutung praktischer Sturzkompetenz unterstreichen und konkrete Ansätze für Prävention und Rehabilitation bieten, zusammengefasst.
Ditangquan: Sicher landen, sicher stehen
Eine aktuelle Studie von Li et al. (2022) zeigt, dass Ditangquan-Übungen Stürze und Verletzungen bei älteren Menschen mit Sarkopenie signifikant reduzieren können. Ditangquan ist eine traditionelle chinesische Kampfkunst mit Fokus auf kontrolliertes Fallen & Aufstehen. In der Studie nahmen 70 Personen im Alter von 60 bis 80 Jahren teil, die über einen Zeitraum von 24 Wochen dreimal wöchentlich entweder Ditangquan-Übungen (Ditangquan-Gruppe) oder herkömmliche Übungen (Kontrollgruppe) absolvierten. Die Ergebnisse waren beeindruckend:
- Reduzierte Sturzrate: In der Ditangquan-Gruppe trat nur ein Sturz auf, während in der Kontrollgruppe acht Stürze verzeichnet wurden (P = 0.028).
- Weniger Verletzungen: Es gab keine Verletzungen in der Ditangquan-Gruppe, hingegen sechs in der Kontrollgruppe (P = 0.025).
- Verbesserte Mobilität: Die Ditangquan-Gruppe zeigte eine durchschnittliche Verbesserung von 32.17 Punkten auf der modifizierten Falls-Effizienz-Skala (MFES) im Vergleich zur Kontrollgruppe (95% CI: 21.32, 43.02; P < 0.001).
- Schnellere Beweglichkeit: Im Timed Up & Go Test (TUG) verbesserte sich die Ditangquan-Gruppe um durchschnittlich 4.94 Sekunden gegenüber der Kontrollgruppe (95% CI: -7.95, -1.93; P = 0.002).
Diese Ergebnisse unterstreichen die Wirksamkeit von Ditangquan-Übungen bei der Verbesserung der funktionellen Mobilität und der Reduzierung von Stürzen und Verletzungen bei älteren Erwachsenen mit Sarkopenie.
- Li, Z., Ma, Y., Zhuang, J., Tao, X., Guo, C., Liu, S., Zhu, R., Wang, J., & Fang, L. (2022). Ditangquan exercises based on safe-landing strategies prevent falls and injury among older individuals with sarcopenia. Frontiers in Medicine, 9, 936314. https://doi.org/10.3389/fmed.2022.936314
Physiotherapie trifft auf sichere Sturzstrategien
Eine Fallstudie von Kinney und Kiesel untersucht, wie sichere Falltechniken in die physiotherapeutische Betreuung älterer Menschen integriert werden können. Ziel ist es, das Verletzungsrisiko bei unvermeidbaren Stürzen zu minimieren.
Hintergrund: Stürze sind eine der Hauptursachen für Verletzungen bei älteren Erwachsenen. Traditionelle Präventionsstrategien konzentrieren sich auf die Vermeidung von Stürzen durch Gleichgewichts- und Krafttraining. Diese Fallstudie erweitert den Ansatz, indem sie sichere Landetechniken vermittelt, um die Auswirkungen eines Sturzes zu reduzieren.
Methodik: Die Studie beschreibt die Implementierung eines Trainingsprogramms für sichere Falltechniken bei einem älteren Patienten. Das Programm umfasste Übungen zur Verbesserung der Reaktionsfähigkeit, Beweglichkeit und Körperkontrolle während eines Sturzes.
Ergebnisse: Der Patient konnte die erlernten Techniken erfolgreich anwenden, was zu einer Reduktion der Verletzungsgefahr bei potenziellen Stürzen führte. Zudem berichtete der Patient über ein gesteigertes Vertrauen in seine Fähigkeit, sicher zu fallen und sich zu erholen.
Schlussfolgerung: Die Integration von Trainingsprogrammen für sichere Falltechniken in die physiotherapeutische Praxis kann eine ergänzende Strategie zur traditionellen Sturzprävention darstellen. Weitere Forschung ist erforderlich, um die Wirksamkeit und Anwendbarkeit dieser Ansätze in größeren Populationen zu bewerten.
Diese Fallstudie unterstreicht das Potenzial sicherer Falltechniken als wertvolle Ergänzung in der physiotherapeutischen Betreuung älterer Menschen.
- Kinney, S. G., & Kiesel, J. D. (2021). Utilization of Safe Fall Landing Strategies in Physical Therapist Management of Geriatric Populations: A Case Report. Physical Therapy, 101(3), pzaa226. https://doi.org/10.1093/ptj/pzaa226
Motorisches Lernen: Schlüssel zur Sturzprävention
In ihrer Studie „A Motor Learning Approach to Reducing Fall-Related Injuries“ untersuchen Hsieh und Sosnoff (2021) die Anwendung motorischer Lernstrategien zur Verringerung sturzbedingter Verletzungen bei älteren Erwachsenen. Sie betrachten Stürze als dreiphasigen Prozess: Destabilisierung, Abstieg und Aufprall. Der Fokus liegt auf den Abstieg- und Aufprallphasen, in denen durch erlernte Bewegungsmuster die Aufprallkräfte reduziert werden können.
Methodik: Die Autoren führten eine Literaturübersicht durch, um zu evaluieren, inwieweit Bewegungen während der Abstieg- und Aufprallphasen als freiwillige motorische Fähigkeiten betrachtet werden können, die auch von älteren Erwachsenen erlernt werden können. Sie analysierten Studien, die sich mit sicheren Landetechniken und deren Auswirkungen auf die Reduzierung von Aufprallkräften befassten.
Ergebnisse: Die Analyse ergab, dass sowohl junge als auch ältere Erwachsene in der Lage sind, durch gezieltes Training sichere Landetechniken zu erlernen. Diese Techniken führten zu einer signifikanten Reduktion der Aufprallkräfte während eines Sturzes. Beispielsweise konnten durch das Erlernen von Abrollbewegungen die Kräfte, die auf den Körper wirken, effektiv vermindert werden.
Schlussfolgerung: Hsieh und Sosnoff schließen, dass das motorische Lernen sicherer Landetechniken einen vielversprechenden Ansatz darstellt, um sturzbedingte Verletzungen bei älteren Erwachsenen zu reduzieren. Sie betonen die Notwendigkeit, solche Trainingsprogramme in präventive Maßnahmen zu integrieren, um die Sicherheit und Lebensqualität dieser Bevölkerungsgruppe zu erhöhen. Techniken zum sicheren Landen und Abrollen die beim Aufprall wirkenden Kräfte reduzieren und somit das Verletzungsrisiko senken. Die Studie betont die Bedeutung eines gezielten motorischen Lernansatzes in der Sturzprävention und empfiehlt die Integration solcher Trainingsmethoden in Programme für ältere Erwachsene.
- Hsieh, K. L., & Sosnoff, J. J. (2021). A Motor Learning Approach to Reducing Fall-Related Injuries. Journal of Motor Behavior, 53(5), 663–667. https://doi.org/10.1080/00222895.2020.1814195
Lernen aus realen Stürzen
Die Studie von Robinovitch et al. (2022) analysierte 2.388 Stürze von 658 Bewohnern in Pflegeeinrichtungen mittels Videoaufnahmen, um Schutzreaktionen und deren Effektivität zu untersuchen.
Hauptbefunde:
- Rotation während des Falls: Bei 43% der zunächst nach vorne gerichteten Stürze drehten sich die Personen zur Seite, was das Risiko von Kopfverletzungen um das Zweifache reduzierte.
- Abstützen mit den Armen: Obwohl in 58% der Stürze beobachtet, war das Abstützen mit den oberen Gliedmaßen mit einer erhöhten Verletzungswahrscheinlichkeit verbunden, möglicherweise aufgrund der höheren Belastung bei Vorwärtsstürzen.
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Einüben von Rotationsbewegungen während des Sturzes eine effektive Strategie zur Verletzungsprävention bei älteren Erwachsenen sein könnte, während das Abstützen mit den Armen weniger Schutz bietet und potenziell das Verletzungsrisiko erhöht.
- Robinovitch, S. N., Dojnov, A., Komisar, V., Yang, Y., Shishov, N., Yu, Y., Bercovitz, I., Cusimano, M. D., Becker, C., Mackey, D. C., & Chong, H. (2022). Protective responses of older adults for avoiding injury during falls: Evidence from video capture of real-life falls in long-term care. Age and Ageing, 51(12), afac273. https://doi.org/10.1093/ageing/afac273