Vitamin K2 – das Calgon Ihrer Arterien
Herzinfarkt statt Knochenbruch
2011 zeigte eine Aufsehen erregende Studie mit 32’282 Teilnehmern, dass Kalziumpräparate für gesunde Knochen zwar drei von tausend Knochenbrüchen verhindern, jedoch sechs zusätzliche Herzinfarkte hervorrufen1. Die meisten Herzinfarkte entstehen durch eine langjährige Verkalkung der Arterien. Was war bei den Studienteilnehmern geschehen? Ein Teil des für die Knochen bestimmten Kalziums war nicht an seinen Bestimmungsort gelangt, sondern hatte sich in den Blutgefässen abgelagert. Kalzium ist essenziell für unseren Körper. Gleichzeitig scheint es aber auch Schaden anrichten zu können. Das beobachtete Phänomen der vermehrten Kalziumablagerungen in den Arterienwänden bei gleichzeitigem Kalziumverlust in den Knochen heisst Kalzium-Paradox2.
Vitamin K2 – Shuttle des Kalziums
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Der Weg des Kalziums
Der wichtige Baustoff Kalzium wird mithilfe von Vitamin D aus der Nahrung ins Blut überführt. Für den Weitertransport in die Knochen braucht es ein zweites „Fahrzeug“. Diese Aufgabe übernimmt Vitamin K2. Es bringt das Kalzium aus den Arterien in die Knochen, wo es zu neuen Knochenbälkchen verbaut wird. Das Kalzium-Paradox zeigt, dass es sich bei diesem Transport um eine äusserst wichtige Aufgabe handelt. Wird sie nicht richtig ausgeführt, lagern sich Kalziummoleküle an den Arterienwänden ab. Die Arterienverkalkung beginnt.
Elegante Lösung für eine schwierige Aufgabe
Vitamin K2 erfüllt die gestellte Transportaufgabe, indem es zwei Proteine aktiviert. Das erste, genannt Matrix-Gla-Protein (MGP), löst Kalzium aus den Weichgeweben heraus. Die inaktive Form von MGP wird von Vitamin D produziert. Trifft Vitamin K2 auf inaktive MG-Proteine, schaltet es diese frei. Das ist der Startschuss für den Transport. Der so aktivierte „Shuttle“ MGP befördert das Kalzium aus den Arterien hinaus. Das zweite Protein, genannt Osteocalcin, baut das Kalzium dort ein, wo es hingehört: in die Knochen. Auch hier arbeitet Vitamin K2 eng mit dem befreundeten Vitamin D zusammen. Vitamin D veranlasst die Knochenaufbauzellen, das Protein Osteocalcin herzustellen. Osteocalcin muss wiederum von Vitamin K2 freigeschaltet werden, damit es das Kalzium zu Knochenbälkchen verarbeiten kann.
Ein Meister der Entkalkung
Weitverbreitet ist die Meinung, dass Arteriosklerose ein irreversibler Vorgang sei. Das ist vermutlich nicht richtig. Denn das von Vitamin K2 aktivierte kleine Transportmolekül MGP bekämpft Arteriosklerose. Es vollbringt dabei wahre Wunder, indem es abgelagertes Kalzium wieder aus den Arterien herauslöst und abtransportiert. Was der Entkalker für Ihre Waschmaschine ist, das ist Vitamin K2 für Ihre Blutgefässe. Natürlich sind wir Menschen keine Mäuse, aber viele biologische Abläufe funktionieren gleich oder sehr ähnlich. Bei Mäusen konnte gezeigt werden, dass durch hohe Vitamin-K2-Versorgung bestehende Verkalkungen um bis zur Hälfte wieder abgebaut werden3. Irreversibel scheint Arterienverkalkung also nicht zu sein. Natürlich aber ist es besser vorzubeugen. Eine holländische Studie belegt, dass eine genügend hohe Vitamin-K2-Zufuhr über die Nahrung das Risiko von Arterienverkalkung um 52% und die Sterblichkeitsrate bei Herzerkrankungen um 57% senkt4. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen einer starken Verkalkung der Herzarterien, einem niedrigen Spiegel an aktiviertem MGP und einem Mangel an Vitamin K25. Das ist auch einleuchtend, denn ist kein Vitamin K2 da, um den „Shuttle“ MGP zu aktivieren, verkalken unsere Arterien. Dauert dieser Vorgang lange Jahre, dann ist der Herzinfarkt mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht mehr weit.
Noch ungenutzt in der Osteoporose- Therapie
Während Herzinfarkte mehrheitlich Männer betreffen, ist die als Knochenschwund bekannte Osteoporose in erster Linie ein Frauenthema. Viele Osteoporose-Patientinnen leiden unter einem Mangel an Vitamin K26. Hierzu existiert umfassende Literatur. In einer japanischen Studie erhielten 241 Frauen entweder Kalzium und Vitamin K2 oder Kalzium allein. Nach zwei Jahren hatten die Frauen, die Kalzium allein erhalten hatten, eine Abnahme der Knochendichte von 3.3% zu beklagen, während die Gruppe mit zusätzlichem Vitamin K2 lediglich 0.5% verloren hatte7. Diese positive Wirkung kann durch eine kombinierte Therapie mit Vitamin K2 und Vitamin D noch gesteigert werden. In einer entsprechenden Interventionsstudie mit 172 Frauen erhöhte sich die Knochendichte innerhalb von zwei Jahren um sensationelle 4.9%8. In der aktuellen Osteoporose-Therapie wird der positive Einfluss von Vitamin K2 noch weitgehend vernachlässigt. Wer betroffen ist oder vorsorgen will, muss selber aktiv werden. Immerhin haben die Europäischen Behörden für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Bedeutung von Vitamin K2 für die Knochengesundheit offiziell anerkannt9.
Massiv reduziertes Frakturrisiko
Das Frakturrisiko ist in der Osteoporose-Therapie eine besonders wichtige Grösse. Es ist der Knochenbruch, der unsere Lebensqualität beeinträchtigt, nicht die geringe Knochendichte. Eine französische Studie zeigt, dass ein guter Vitamin-K2-Status das Risiko für eine Hüftfraktur um den Faktor 5.9 senkt10. In der erwähnten japanischen Osteoporosestudie mit 241 Teilnehmerinnen hatten die Patientinnen in der Vitamin-K2-Gruppe nach zwei Jahren ein 66% geringeres Frakturrisiko als die Kontrollgruppe. In Japan gibt es Gegenden, in denen Hüftfrakturen signifikant viel seltener auftreten als anderswo. Es handelt sich dabei um Regionen, deren Bevölkerung traditionell viel Natto isst11. Die Grundlage von Natto sind vergorene Sojabohnen, die dank Fermentierung eine enorme Konzentration an
Vitamin K2 aufweisen12.
Vitamin-K2-Quellen in unserer Nahrung
Vitamin K2 kommt vor allem in tierischen oder fermentierten Nahrungsmitteln vor. Der Mensch kann nur sehr begrenzt Vitamin K1 aus grünem Gemüse in Vitamin K2 umwandeln. Nutztiere wie Kühe können das sehr viel besser. Diese Fähigkeit machte sich der Mensch schon seit jeher zunutze, indem er tierische Milchprodukte in seine Nahrung integrierte. Vitamin K2 gibt es in mehreren Varianten. In Eiern, Butter und Fleisch ist vorwiegend die Variante MK-4 enthalten. Die besser verwertbaren, durch bakterielle Fermentation gewonnenen Varianten finden sich in gewissen Käsesorten oder Sauerkraut. Dies sind die Varianten MK-6 bis MK-10. Das erwähnte japanische Gericht Natto enthält eine unwahrscheinlich hohe Konzentration an Vitamin K2. Diese Variante heisst MK-7 und ist für den menschlichen Körper hervorragend verwertbar. Vom Geschmack her ist Natto für europäische Gaumen etwas gewöhnungsbedürftig.
Wieso heute ein Mangel an Vitamin K2 herrscht
Noch vor 150 Jahren waren die Menschen gut mit Vitamin K2 versorgt. Ihre Nutztiere, also Kühe, Ziegen und Schafe, frassen hauptsächlich nährstoffreiche grüne Gräser wie Luzerne oder Weizengras auf gesunden Böden. Eine Vollweidehaltung auf reichhaltigen Böden entspricht heute mehr einer idyllischen Wunschvorstellung als der Wirklichkeit. Selbst in den den Sommermonaten wird fast flächendeckend Silofutter und Heu zugefüttert. Entsprechend hat der natürliche Vitamin-K2-Gehalt in unserer Nahrung drastisch abgenommen.
Die richtige Menge
Der normale Tagesbedarf der Variante MK-7 liegt bei 100-200 μg19. Das ist auch die Menge, die wir mit einer bewussten Ernährung erreichen. Allerdings gibt es Situationen, in denen wir einen stark erhöhten Vitamin-K2-Bedarf aufweisen. Beispielsweise wenn es darum geht, einer Arteriosklerose oder Osteoporose entgegen zu wirken. Oder wenn wir unseren Vitamin-D-Spiegel auf ein langfristig gesundes Mass anheben wollen. In solchen Fällen ist der Vitamin-K2-Bedarf ungleich grösser und es wird schwierig bis unmöglich, ihn allein über die Nahrung zu decken.
Vitamin K2 als Nahrungsergänzung
Vitamin K2 ist als Nahrungsergänzung in Drageeform erhältlich. Sie können Vitamin K2 in der Drogerie/Apotheke kaufen oder es online bestellen. Wählen Sie die aus Natto gewonnene Variante MK-7, da ihre Verwertbarkeit weit besser ist als die Verwertbarkeit des ebenfalls erhältlichen MK-4. Vitamin K2 gehört zu den fettlöslichen Vitaminen. Daher ist es sinnvoll, es mit einigen Tropfen Öl oder mit etwas Fett einzunehmen. Viele Präparate kombinieren Vitamin K1 und K2. Das bringt keinen Vorteil, da die Versorgung mit Vitamin K1 über eine ausgewogene Ernährung bestens gewährleistet ist.
Erhöhter Bedarf beim Aufbau des Vitamin-D-Spiegels
Es ist aus verschiedenen Gründen sehr zu empfehlen auf einen ausreichend hohen Vitamin-D-Spiegel zu achten. Befinden Sie sich in der Aufbauphase, dann sollten Sie der erhöhten Vitamin-D-Versorgung genügend Vitamin K2 zur Seite stellen. Sonst kann es in dieser Zeit zu einer verstärkten Kalziumablagerung in den Gefässen kommen. Für das richtige Verhältnis existieren leider noch keine wissenschaftlich etablierten Richtlinien. Das empfohlene Minimum liegt beim Verhältnis 100 μg MK-7 auf 10’000 IE Vitamin D. Das empfohlene Maximum liegt zehnmal höher bei 100 μg MK-7 pro 1’000 IE Vitamin D20. Dies entspräche 10 g Natto oder 120 g Gouda oder einem Dragee von 100 μg auf 1’000 IE Vitamin D am Tag.
Überdosierung nicht möglich
Überdosierungen von Vitamin K2 sind nach heutigem Wissensstand nicht möglich, da die Wirkung von Vitamin K2 durch die Menge der zu aktivierenden Proteine begrenzt ist. Allerdings sollten Personen vorsichtig sein, die Blutgerinnungshemmer einnehmen, da Vitamin K2 deren Wirkung beeinflussen kann16. Davon abgesehen gelten hohe Mengen Vitamin K2 als unbedenklich. So werden in Japan Tagesdosierungen von bis zu 45’000 μg MK-4 standardmässig zur Osteoporosebehandlung eingesetzt18.
Vitamin-K2-Test
Es gibt noch keine Tests, die den Vitamin-K2-Spiegel messen. Vitamin-K2-Mangel lässt sich aus dem Verhältnis von inaktiviertem (untercarboxyliertem) Osteocalcin zum gesamten Osteocalcin herleiten. Dieses Verhältnis wird heute in klinischen Studien beigezogen. Für Privatpersonen gibt es noch keine Möglichkeit, den Vitamin-K2-Status bestimmen zu lassen. Dass bis heute kein Vitamin-K2-Test verfügbar ist, erklärt zumindest teilweise, warum Vitamin K2 noch immer unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung fliegt.
Vitamin K2 ist nicht gleich Vitamin K1
Vitamin K2 stand lange Zeit im Schatten des viel bekannteren Vitamin K1. Vitamin K1 ist für die Blutgerinnung verantwortlich. Ein Vitamin-K1-Mangel ist selten und macht sich durch vermehrte Blutungsneigung, zum Beispiel Nasenbluten, relativ rasch bemerkbar16. Bis heute unterscheiden viele Studien nicht zwischen den beiden Formen von Vitamin K, obwohl deren Wirkungsweisen für den Menschen völlig unterschiedlich sind. Dies erschwert eine genaue Beurteilung der Studienlage.
Vorbeugung von anderen Krankheiten
Über ausreichend Vitamin K2 zu verfügen scheint auch präventiv vorteilhaft. Vitamin K2 regt über die Aktivierung von regulatorischen Genen und Proteinen den Tod von Krebszellen an16. Es schützt besonders vor aggressivem Prostata- und Lungenkrebs21,22. Ein guter Vitamin-K2-Status verbessert die
Insulinempfindlichkeit und wird mit reduziertem Risiko für Diabetes-Typ-2 assoziiert23. Ausserdem hat Vitamin K2 einen günstigen Einfluss auf rheumatoide Arthritis und Alzheimer2.
Pflichtgemässer Hinweis
Wir weisen darauf hin, dass die in diesem Merkblatt enthaltene Information Ihrer Aufklärung dient und nicht als Ersatz für eine ärztliche Konsultation anzusehen ist.
Und jetzt?
Detailliertere Informationen zu Vitamin D erhalten Sie in der Broschüre «Vitamin D – richtig dosiert». Haben Sie noch Fragen zu Vitamin K2? Gerne können Sie sich an das SturzZentrum Schweiz wenden.
Quellen
1Bolland MJ et al., «Calcium supplements with or without vitamin D and risk of cardiovascular events: reanalysis of the Women‘s Health Initiative limited access dataset and meta-analysis. », BMJ, 2011;342:d2040
2Kate Rheaume-Bleue, «Vitamin K2 and the Calcium Paradox: How a Little-Known Vitamin Could Save Your Life», Harper Verlag; 2012
3Schurgers LJ et al., «Regression of warfarin-induced medial elastocalcinosis by high intake of vitamin K in rats», Blood, 2007;109(7):2823-31
4Geleijnse JM et al., «Dietary intake of menaquinone is associated with a reduced risk of coronary heart disease: the Rotterdam Study.», J Nutr, 2004;134(11):3100-5
5Jono T et al., «Matrix Gla protein is associated with coronary artery calcification as assessed by electron-beam computed tomography. », Thromb Haemost, 2004;91(4):790-4
6Hodges SJ et al., «Depressed levels of circulating menaquinones in patients with osteoporotic
fractures of the spine and femoral neck.», Bone, 1991;12(6):387-9
7Shiraki M et al., «Vitamin K2 (Menatetrenone) Effectively Prevents Fractures and Sustains Lumbar Bone Mineral Density in Osteoporosis», Journal of Bone and Mineral Research, 2000;15(3):515–21
8Ushiroyama T et al., «Effect of continuous combined therapy with vitamin K(2) and vitamin D(3) on bone mineral density and coagulofibrinolysis function in postmenopausal women.», Maturitas, 2002;41(3):211-21
9EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies, «Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to vitamin K and maintenance of bone (ID 123, 127, 128, and 2879), blood coagulation (ID 124 and 126), and function of the heart and blood vessels (ID 124, 125 and 2880) pursuant to Article 13(1) of Regulation (EC) No 1924/2006», EFSA Journal 2009; 7(9):1228
10Szulk P et al., «Serum Undercarboxylated Osteocalcin Is a Marker of the Risk of Hip Fracture in Elderly Women», J Clin Invest, 1993, 91:1769-74
11Kaneki M et al., «Japanese fermented soybean food as the major determinant of the large geographic difference in circulating levels of vitamin K2: possible implications for hip-fracture risk», Nutrition, 2001, 17(4):315-21
12Schurgers LJ et al., «Determination of phylloquinone and menaquinones in food. Effect of food matrix on circulating vitamin K concentrations.», Haemostasis, 2000;30(6):298-307
13Hirauchi et al., «Measurement of K vitamins in animal tissues by high-performance liquid chromatography with fluorimetric detection.», Chromatogr, 1989;497:131-7
14Hojo K et al., «Quantitative measurement of tetrahydromenaquinone-9 in cheese fermented
by propionibacteria.», Journal of Dairy Science, 2007, 90(9):4078-83
15Manoury E et al., «Quantitative measurement of vitamin K2 (menaquinones) in various fermented
dairy products using a reliable high-performance liquid chromatography method.», J Dairy Sci, 2013; 96(3):1335-46
16Dr. Joseph Pies, «Vitamin K2 Vielseitiger Schutz vor chronischen Krankheiten», VAK Verlags GmbH, 3. Auflage 2014
17Nakamura E et al., «Low-dose menaquinone-4 improves gamma-carboxylation of osteocalcin
in young males: a non-placebo-controlled dose-response study», Nutr J, 2014; 13:85
18Sato T et al., «Vitamin K2 and Bone Quality.», Vitam Trace Elem, 2013, S6: 001
19Schurgers LJ et al., «Vitamin K-containing dietary supplements: comparison of synthetic vitamin K1 and natto-derived menaquinone-7.», Blood, 2007;109(8):3279-83
20Interview with Kate Rheaume-Bleue: www.vitamindwiki.com/tiki-download_wiki_attachment.php
21Nimptsch K et al., «Dietary intake of vitamin K and risk of prostate cancer in the Heidelberg cohort of the European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC-Heidelberg).», Am J Clin Nutr, 2008;87(4):985-92
22Nimptsch K et al., «Dietary vitamin K intake in relation to cancer incidence and mortality: results from the Heidelberg cohort of the European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC-Heidelberg).», Am J Clin Nutr, 2010;91(5):1348-58
23Choi HJ et al., «Vitamin K2 supplementation improves insulin sensitivity via osteocalcin metabolism: a placebo-controlled trial.», Diabetes Care, 2011;34(9)